Pilze und Algen als nachhaltige Fassadenfarbe: Wie das REMEDY-Projekt unsere Hauswände revolutionieren will
Kann eine neue Art von nachhaltiger Wandfarbe aus Algen und Pilzen unsere Städte grüner, gesünder und resilienter machen? Das EU-Projekt REMEDY forscht an mikrobiellen Tinten, die mehr können als bunte Flecken – sie versprechen aktiven Umweltschutz, CO₂-Speicherung und eine kleine Revolution für die Bauwirtschaft.
Einleitung: Paradigmenwechsel an der Fassade
Schon beim Gedanken an Pilze oder Algen an der Hauswand zucken die meisten Menschen zusammen. Befall, Feuchtigkeit, Schimmel – das sind die Bilder, die sofort im Kopf auftauchen. Doch dieser Gedanke bekommt gerade Risse. Forschende arbeiten an einer neuen Farbe für Wände, die nicht einfach nur „grün“ im ökologischen Sinn ist, sondern im wahrsten Sinne des Wortes von lebenden Mikroben grünt und pulsiert. Was zunächst ungewöhnlich klingt, birgt die Chance auf einen echten Wandel im Städtebau. Es geht um „Tinte“ aus Pilzen und Algen, entwickelt für Hauswände – mit dem Ziel, Gebäude klüger und nachhaltiger zu machen.
Bisher galten Mikroben an Fassaden als Feind. Jetzt heißen wir genau sie willkommen, um unsere Gebäude zu schützen und die Luft zu reinigen. Dieser Ansatz lässt die Grenzen zwischen Natur und Architektur verschwimmen und weckt die Hoffnung auf Städte, die nicht nur weniger schaden, sondern aktiv Gutes tun. Für viele klingt das nach Zukunftsmusik. Doch im EU-Projekt REMEDY laufen die ersten Versuche, diesen Zukunftstraum Schritt für Schritt umsetzbar zu machen. Was dahintersteckt, ist spannend und ungewohnt zugleich.
Nicht mehr die Abwehr, sondern die Einladung und das gezielte Arrangieren von Mikroorganismen steht im Mittelpunkt der Forschung. Deren Nutzen wurde uns bereits am menschlichen Körper bewusst – nun sollen diese cleveren kleinen Helfer auch unsere Häuser stärken. Lasst uns einen Blick auf das werfen, was in den Forschungslabors von Graz, Izola und Ljubljana passiert – und was das für unsere Städte bedeuten könnte.
Projekt REMEDY im Überblick
Das Forschungsprojekt REMEDY ist ein europäischer Schulterschluss. Hier arbeiten Forscherinnen und Forscher aus Österreich, Slowenien und den Niederlanden zusammen, unterstützt von der European Innovation Council mit rund drei Millionen Euro. Ziel ist es, eine mikrobielle Tinte für Gebäude zu entwickeln, die Pilze und Algen enthält. Sie wird nicht gestrichen, sondern in Mustern aufgedruckt, fast wie ein Tattoo auf der Gebäudewand.
Kerninstitutionen sind die Technische Universität Graz, das InnoRenew CoE-Kompetenzzentrum in Slowenien und weitere Institute, die ihr Wissen aus Biologie, Drucktechnik und Architektur zusammentragen. Die Zusammenarbeit in diesem Forschungsverbund ist besonders, weil sie Fachrichtungen und Ländergrenzen überschreitet und verschiedene Praxistests möglich macht. Ein Pilotprojekt fand etwa in der slowenischen Küstenstadt Izola statt, wo die ersten Pilzarten an realen Fassaden gesammelt wurden.
Der Projektfokus reicht von der Auswahl resistenter Mikroben über die Entwicklung optimaler Tintenzusammensetzungen bis hin zur Herausforderung, lebende Organismen industriell anzubringen. Expertinnen wie Carole Planchette und Anna Sandak koordinieren die Treffen zwischen Unis, Techniklaboren und Industriepartnern, um Lösungen zu erarbeiten, die später auch wirklich auf Millionen Quadratmetern eingesetzt werden können.
Schon jetzt deutet sich an: Es geht um mehr als Farbe – ein ganz neues Verständnis von Gebäudeschutz steht zur Debatte.
Die Idee hinter mikrobiellen Tinten
Im Zentrum der Innovation steht eine Tinte, die aus lebendigen Mikroben besteht. Das klingt erst einmal nach Matsch, ist aber in Wahrheit hochpräzise Forschung. Während herkömmliche Fassadenfarben aus chemischen Pigmenten und Harzen bestehen, setzt REMEDY auf Kolonien aus Pilzen und Algen als aktiven Teil der Oberfläche. Sie sind sozusagen die Arbeitskräfte direkt an der Wand. Anders als normale Farben sollen die mikrobiellen Kompositionen Schadstoffe abbauen, CO₂ binden und Mikro-Risse von selbst verschließen können.
Diese Tinten funktionieren wie kleine Biotope. Sind sie mit den richtigen Arten gefüllt, widerstehen sie Hitze, Kälte, UV-Licht und sogar Regen. Die Mikroben setzen sich fest, wachsen gezielt und werden trotzdem durch die geplante Gestaltung kontrolliert. Auch wenn die Idee vom Haus als lebenden Organismus neuartig erscheint, die Funktionsweise ist im Prinzip uralt: In der Natur sorgen solche Gemeinschaften schon immer dafür, dass Oberflächen geschützt und erhalten bleiben.
Die eigens entwickelten Tinten enthalten neben Pilzen und Algen auch Bestandteile, die das Überleben der Mikroorganismen auf den unterschiedlichen Baustoffen sichern. Sie werden nicht einfach aufgepinselt, sondern gezielt aufgedruckt. So entstehen geplante Muster, die das Haus gleichzeitig schützen, verzieren und erneuern können. Dieser Ansatz bringt eine neue Ästhetik ans Haus, die mit klassischen Malertechniken nicht zu erreichen wäre.
Wissenschaftlicher Hintergrund: Mikrobiome an Gebäuden
Mikroben auf Wänden zu begrüßen, widerspricht auf den ersten Blick unserem gewohnten Verhalten. Doch wer sich wundert, sollte daran denken, wie nützlich Bakterien und Pilze für den menschlichen Körper geworden sind. In unserem Darm helfen sie bei der Verdauung, auf der Haut schützen sie vor Krankheitserregern. Die Idee: Auch Gebäude könnten von solchen Lebensgemeinschaften profitieren.
Im Gegensatz zu schädlichem Bewuchs, der Gebäude beschädigt oder unschön aussehen lässt, wird hier ein gezieltes Mikrobiom angebracht. Ausgewählte Arten schützen die Wand vor aggressiveren, fremden Pilzen oder Bakterien. Sie schaffen ein „nützliches Biotop“, das den Lebensraum für Krankheitserreger und Schadstoffe verschließt. Dieses Prinzip ist aus der Natur überall zu beobachten, nur das gezielte Einsetzen am Haus ist eine neue Anwendung.
Wissenschaftlich betrachtet müssen die ausgewählten Mikroorganismen eine Balance schaffen: Sie dürfen sich nicht zu schnell ausbreiten, aber auch nicht zu schwach sein. Genau darin liegt die Kunst: Welche Mikroben eignen sich am besten? Können sie unter wechselnden Witterungsbedingungen überleben und sogar ihre Nachbarschaft steuern? Dieser interdisziplinäre Ansatz verbindet Mikrobiologie, Baustoffkunde und Architektur zu einer neuen Wissenschaft.
Nicht jeder Pilz oder jede Alge taugt für diese Aufgabe. Es geht um Hightech im Mikromaßstab, in dem biologische Funktion und technischer Zweck verschmelzen. Die Forschenden forschen deshalb auch an der Zucht und gezielten Auswahl besonders resistenter Arten, die den Grundstein für die neue Fassadenfarbe legen.
Ökologische Vorteile mikrobieller Fassadentinte
Das gezielte Anbringen von Pilzen und Algen an Fassaden ist nicht nur eine Frage der Optik. Vor allem der Umweltschutz steht im Vordergrund. Mikroorganismen an den Wänden übernehmen Aufgaben, für die man sonst Chemie, Energie und Wartung bräuchte.
Sie schützen vor anderen, schädlichen Mikroben, die das Mauerwerk angreifen oder gesundheitsschädliche Sporen ausbreiten könnten. Durch die lebende Oberfläche gelangen weniger Umweltgifte ins Haus, und die Wand bleibt länger intakt. Zusätzlich sind Algen wahre Weltmeister beim Aufnehmen von CO₂. Sie können – wie kleine grüne Kraftwerke – das klimaschädliche Gas direkt aus der Luft ziehen und speichern, während herkömmliche Farben oft sogar das Gegenteil tun.
Ein weiterer Vorteil: Einige Pilzarten können während ihrer Lebenszyklen Enzyme freisetzen, die Oberflächen reinigen oder Reparaturstoffe absondern. Damit können sie kleine Schäden oder Risse schließen, bevor Wasser und Frost das Mauerwerk gefährden. Wo sonst teure Sanierungen nötig wären, übernimmt die Natur mit minimalem Energieaufwand die Aufgabe.
Diese Aufgabenvielfalt kann klassischen Farbsystemen langfristig überlegen sein. Mikroben geben den Gebäuden ein „aktives Schutzschild“ und machen Häuser nicht nur schöner, sondern auch widerstandsfähiger – ohne giftige Biozide oder regelmäßigen Neuanstrich.
Tattoo statt Pinsel: Drucktechnik für die Fassade
Die Anwendung solcher mikrobieller Tinten ist eine technische Herausforderung für sich. Im Gegensatz zu klassischen Farben, die mit Pinsel oder Rolle aufgetragen werden, müssen die lebenden Bestandteile sehr gezielt platziert werden. Hier kommt hochmoderne Drucktechnik aus dem Labor zum Einsatz. Die Forscher vergleichen den Prozess gern mit dem Tätowieren: Statt großem Gebinde und Pinsel bringen Spezialdrucker kleine Muster auf die Wand, ähnlich wie bei einem Tattoo.
Das Ziel ist, dass diese „Tattoo-Drucker“ mikroskopisch kleine Tropfen voller Mikroorganismen exakt auf die gewünschte Fläche aufbringen. So kann auf jeder Fläche – Beton, Putz, Holz oder Metall – ein gleichmäßiges, ästhetisches Muster entstehen, das zudem optimal funktioniert. Die Herausforderung: Die Mikroorganismen dürfen nicht verklumpen, müssen alle den Druckprozess überstehen und dürfen die feinen Düsen der Geräte nicht verstopfen.
Das Team an der TU Graz forscht deshalb an der perfekten Konsistenz der Tinte und an Düsen, die für lebende „Farben“ gemacht sind. Es geht darum, dass jeder Druck reproduzierbar ist, ob an der Hauswand, auf dem Dach oder an Brückenpfeilern. Die Unterschiede zum klassischen Anstrich sind nicht nur in der Anwendung spürbar, sondern eröffnen ganz neue Möglichkeiten für Künstlermotive, nachhaltige Verzierungen und Schutzfunktionen.
Langfristig soll es möglich sein, große industrielle Flächen genauso einfach zu behandeln wie kleine, aufwendige Ecken. Alles, was jetzt unter Laborbedingungen getestet wird, hat das Ziel, später unkompliziert im Wohnungs- und Städtebau eingesetzt zu werden.
Auswahl und Zucht resistenter Mikroorganismen
Wer schon einmal einen grünen Film am Gartenteich beobachtet hat, weiß: Nicht jede Algenart ist gleich, und nicht jeder Pilz überlebt auf Beton oder unter praller Sonne. Deshalb widmet sich ein großer Teil des Projekts der Zucht und Auswahl besonders widerstandsfähiger Arten.
Die Forscher sammeln Pilze und Algen von unterschiedlichen Gebäuden, testen sie auf Robustheit gegen Wind, Regen, Temperaturschwankungen und Sonnenstrahlen – und wählen nur die Arten aus, die in diesen Extremen gedeihen. Besonders interessant sind Mikroben, die mit wenig Nährstoffen auskommen, langsam wachsen und dennoch unerwünschte Konkurrenten fernhalten.
Viele dieser Mikroorganismen stammen aus offenen Umgebungen, wie den Fassaden alter Gebäude, Steinen am Meer oder Baumrinde. Wer hier überlebt, kann vermutlich auch auf modernen Baustoffen bestehen. Schonende Methoden sichern das Überleben im Labor und machen die Mikroben fit für eine großflächige, geplante Anwendung am Haus.
Die gezielte Zucht bedeutet auch, dass mögliche Nebenwirkungen – wie unkontrolliertes Wachstum – frühzeitig erkannt und ausgeschlossen werden. Nur ausgewählte Arten, deren Verhalten gut verstanden wird, kommen überhaupt zum Einsatz. Der Rest wird nach und nach aussortiert, um für Sicherheit und Gleichgewicht an der Fassade zu sorgen.
Herausforderungen in der praktischen Umsetzung
Die technische Umsetzung klingt leichter als sie tatsächlich ist. Neben der Auswahl der Mikroben müssen viele weitere Faktoren stimmen: Die Tinte darf nicht verklumpen, die Mikroorganismen müssen im Druckprozess überleben und dürfen danach auf Baustoffen wie Beton, Holz oder Metall nicht absterben.
Ein zentrales Problem ist der Drucker selbst: Die mikrometergroßen Organismen können die feinen Düsen verstopfen. Deshalb wird an speziellen Druckerköpfen gearbeitet, die auch mit ungewöhnlicher Tintenmischung keine Probleme haben. Die Konsistenz der Tinte – nicht zu flüssig, nicht zu fest – bestimmt über Erfolg und Misserfolg der Bedruckung.
Auch die Haftung auf unterschiedlichen Materialien ist kritisch. Während Farben oft schleifen oder kleben, sollen die Mikroben sich regelrecht ansiedeln. Das gelingt nur, wenn die Oberfläche vorbereitet ist, die Nährstoffe stimmen und Temperatur, Feuchtigkeit und Licht passen. Die Forscher testen viele Varianten, um herauszufinden, welche Kombinationen die beste Überlebensrate und Funktion bieten.
Zuletzt bleibt die Frage der Haltbarkeit im Alltag. Mikroben verändern sich, wachsen, sterben ab und brauchen manchmal Nachschub. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zu schaffen, in dem die Lebensgemeinschaft stabil bleibt, aber trotzdem nicht außer Kontrolle gerät. All das wird im Labor simuliert, bevor der Schritt in den großflächigen Praxistest erfolgt.
Design und Ästhetik: Kunst oder Fleck?
Die neuen mikrobiellen Tinten sind nicht einfach nur funktional. Ihr Einsatz macht Gebäudegestaltung zu einem kreativen Prozess: Die „Tattoo“-Technik erlaubt ganz neue Muster, Ornamente und Farben an der Hauswand. Die Forschung arbeitet daran, die Vorteile der Mikroben sichtbar und bewusst als Gestaltungselement zu nutzen.
Doch damit treten auch neue Fragen auf: Wird ein mikrobielles Muster als schicke Verzierung wahrgenommen – oder eher als Schmutz und Verfall? Die Unterscheidung zwischen geplanter Kunst und Wildwuchs ist nicht immer einfach. Deshalb werden Muster entwickelt, die deutlich zeigen, dass sie Absicht und kein Zeichen von Vernachlässigung sind.
Zu den Möglichkeiten gehören filigrane Muster, Wellen, geometrische Formen oder große Grafikflächen, die sich farblich und strukturell von klassischem Bewuchs abheben. Die Forschung setzt darauf, dass eine bewusst ästhetische Gestaltung die Akzeptanz erhöht und Missverständnisse verhindert.
Gleichzeitig werden hygienische Fragen offen angesprochen. Die Öffentlichkeit soll verstehen, dass diese Mikroben nützlich, unter Kontrolle und ungefährlich sind. Die Hoffnung: Wenn Menschen erkennen, wie vielseitig und schön Mikroorganismen eingesetzt werden können, steigt die Bereitschaft für innovative Lösungen im Stadtbild.
Gesellschaftliche Akzeptanz und bisherige Vorbehalte
Die größte Hürde auf dem Weg zur mikrobiellen Wandfarbe liegt im Kopf. Jahrzehntelang galt: Alles, was an der Wand grünt, muss weg. Pilz- und Algenbewuchs war ein Zeichen für feuchte Wände, mangelnde Pflege oder gar Gesundheitsgefahr. Das muss sich jetzt ändern. Das Team von REMEDY setzt deshalb auf ( transparente Kommunikation) und Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit.
Informationskampagnen, Führungen durch Labore und öffentliche Testprojekte sind geplant, um Skepsis abzubauen. Die Vorteile, die Mikroben bieten, werden offen und verständlich gezeigt. Besonders wird betont: Die kontrollierten „Mikrobenmuster“ sind Wahrheit entfernt vom herkömmlichen Schimmelrisiko – im Gegenteil, sie dienen sogar aktiv dem Gesundheitsschutz.
Auch im Labor werden ästhetische und hygienische Bedenken sehr ernst genommen. Die Forschung will keine faulen Kompromisse eingehen, sondern Menschen und Behörden davon überzeugen, dass gezielte Mikrobiome an der Wand zu mehr Hygiene, Nachhaltigkeit und einer schöneren Stadt beitragen.
So könnten Gebäude, die heute noch als Opfer von Algen oder Schimmel gelten, schon bald als Vorreiter nachhaltiger Stadtentwicklung gelten.
Vergleich zu traditionellen Fassadenanstrichen
Klassische Fassadenfarben sind energieintensiv in der Herstellung und enthalten oft Biozide, die Pilze und Algen abhalten sollen. Das Problem: Diese Mittel sind meist giftig für Umwelt und Mensch. Sie gelangen über Regen in den Boden, ins Grundwasser und in die Nahrungskette.
Die neue mikrobiologische Lösung ist grundlegend anders: Statt mit Chemie „tot zu schützen“, setzt sie auf lebendige Gemeinschaften, die Umweltgifte gar nicht erst entstehen lassen und gleichzeitig CO₂ aktiv binden. Risiken wie unkontrolliertes Wachstum bestehen zwar auch, werden aber durch genaue Auswahl und Steuerung der Mikroben minimiert.
Weitere Vorteile: Während klassische Farben über Jahre ausbleichen, abblättern oder immer wieder erneuert werden müssen, können Mikroben geleitet wachsen, sich von selbst erneuern und Schäden ausgleichen. Langfristig könnten hier sogar Kosten, Material und Ressourcen gespart werden.
Ob all das problemlos auf alle Baustoffe und Klimazonen übertragbar ist, müssen die nächsten Praxistests zeigen. Klar ist aber schon jetzt, dass der ökologische Fußabdruck mikrobieller Farben im Vergleich zu konventionellem Anstrich deutlich kleiner ist.
Marktausblick: Potenzial für die Bauindustrie
Die EU-Umweltagentur schätzt, dass in den nächsten 25 Jahren europaweit 9,4 Milliarden Quadratmeter Fassaden und Dächer neu gebaut oder saniert werden. Das ist eine riesige Spielfläche für innovative Lösungen. Schon kleine Verbesserungen könnten hier starke Wirkung zeigen.
Gerade für die Bauindustrie sind nachhaltige Materiallösungen ein wichtiges Thema. Steigende Anforderungen an Energieverbrauch, Sanierung und Klimaschutz machen Alternativen zu klassischen Farben immer attraktiver. Mikrobielle Tinten könnten einen Wettbewerbsvorteil bieten: Sie schonen Ressourcen, verbessern die Gebäudehülle und werden langfristig sogar günstiger als ständige Neuanstriche.
Die Hoffnung ist, dass die Verbesserung des Stadtklimas, aktiver Umweltschutz und ein Plus an Lebensqualität Hand in Hand gehen. Wie groß die Akzeptanz wird, hängt auch davon ab, wie schnell die Technik auf große Flächen gebracht werden kann. Das REMEDY-Projekt versteht sich deshalb als Auftakt für eine neue Ära in der Bauwirtschaft.
Zeitplan und Ausblick für das REMEDY‑Projekt
Das Projekt REMEDY ist auf eine Laufzeit von rund vier Jahren angelegt. Innerhalb dieser Zeit sollen Labortests, Pilotanwendungen und erste Öffentlichkeitstermine stattfinden. Die Teams in Graz, Ljubljana und Izola koordinieren sich regelmäßig, um aus Prototypen marktfähige Produkte zu entwickeln.
Die Schritte sind klar umrissen: Zuerst werden im Labor die besten Mikrobenarten bestimmt, gemessen und getestet. Dann folgen die Entwicklung der Tinte und der Drucktechnik. Anschließend werden geringe Flächen in realer Umgebung bestückt – Wohnungen, Forschungsgebäude oder städtische Pilotobjekte stehen hier auf der Liste.
Am Ende steht eine Bewertung: Wie gut reparieren und schützen die Mikroben wirklich? Stimmen Haltbarkeit und Optik? Erst nach erfolgreicher Erprobung im Alltag kann daran gedacht werden, die Technik großflächig zu vermarkten. Das Ziel ist, nach 2029 eine marktreife Lösung zu präsentieren, die in Serie gehen kann.
Bis dahin bleibt die Forschung in engem Kontakt mit Öffentlichkeit, Behörden und Industrie, damit Kritik und Wünsche sofort einbezogen werden. Das erhöht die Chancen, dass die neue Fassadenfarbe tatsächlich zu einem Erfolg wird – und nicht zur Kuriosität.
Fazit: Zukunftsvision für nachhaltiges Bauen
Pilze und Algen an unseren Hauswänden? Noch vor wenigen Jahren wäre das als Zeichen für Verfall oder Vernachlässigung gewertet worden. Das EU-Projekt REMEDY dreht diesen Gedanken um und liefert eine faszinierende Antwort auf Probleme unserer Zeit. Mit innovativer Technologie und biologischem Know-how entsteht eine nachhaltige Gestaltungslösung, die Gebäude schützt, repariert und das Klima entlastet.
Wenn die nächsten Praxistests erfolgreich sind, könnten in wenigen Jahren lebendige Muster an unseren Hausfassaden leuchten – als Zeichen einer Architektur, die Verantwortung übernimmt. Mikroorganismen übernehmen Aufgaben, für die bisher Energie, Chemie und ständige Wartung nötig waren. Sie zeigen uns, wie viel schlauer das Bauen wird, wenn wir einen Teil der Natur an unserer Seite wissen.
Die Zukunft des Bauens heißt vielleicht nicht mehr nur „weniger schädlich“, sondern beginnt endlich, aktiv nützlich zu sein. Remedys Vision: Häuser, die nicht nur Menschen schützen, sondern auch der Umwelt helfen. Häuser, die atmen und sich selbst reparieren. Das klingt nach einer kleinen Revolution – und ist für viele Forschende und Städteplaner schon jetzt eine große Hoffnung für das Bauen von morgen.